Kleinzellige Lungenkarzinome werden einerseits der Gruppe der neuroendokrinen Lungentumoren zugerechnet. Unter diesem Oberbegriff kennt die aktuelle WHO-Klassifikation der Tumoren der Lunge, der Pleura, des Thymus und des Herzens „Lungentumoren mit neuroendokriner Morphologie“, „nichtkleinzellige Karzinome mit neuroendokriner Differenzierung“, „Hyperplasien neuroendokriner Zellen und Tumorlets“ sowie „andere Tumoren mit neuroendokrinen Eigenschaften“. Dabei umfassen die Tumoren mit neuroendokriner Morphologie das typische und atypische Karzinoid, das großzellige neuroendokrine Karzinom und das kleinzellige Lungenkarzinom [52]. Andererseits führt die WHO-Klassifikation das kleinzellige Karzinom als eine eigenständige Tumorentität auf, für deren Diagnose der immunhistologische Nachweis einer neuroendokrinen Differenzierung nicht zwingend erforderlich ist. Auch gibt es mit dem Subtyp des kombinierten kleinzelligen Karzinoms, das sowohl typische kleinzellige Anteile als auch eine nichtkleinzellige Komponente aufweist, gewisse Überschneidungen mit den nichtkleinzelligen Karzinomen.

Der Subtyp des „intermediären kleinzelligen Karzinoms“ wurde aufgrund der mangelnden Reproduzierbarkeit in der aktuellen WHO-Klassifikation nicht mehr gesondert aufgeführt. Die kürzlich entwickelte Kernklassifikation des Lungenkrebses stellt einen neuen Versuch dar, über eine semiquantitative Abschätzung der Größe der Tumorzellkerne eine bessere Abgrenzung der einzelnen Lungenkarzinomtypen zu erreichen (s. unten).

Definition

Nach der WHO-Klassifikation von 2004 [52] stellen kleinzellige Lungenkarzinome bösartige epitheliale Tumoren dar, die aus kleinen Zellen mit schmalem Zytoplasmasaum, unscharfen Zellgrenzen, feingranulärer Chromatinstruktur und einem Fehlen prominenter Nukleolen bestehen. Die Zellen sind demnach rund, oval oder spindelförmig und weisen häufig ein Kernmolding sowie zahlreiche Mitosefiguren auf (mehr als 10 Mitosen/10 HPF bzw. 2 mm2). Häufig zeigen die Tumoren landkartenartige Nekrosen als Ausdruck einer spontanen Tumorregression. Gegenüber dem großzelligen neuroendokrinen Karzinom soll die Zellgröße beim kleinzelligen Karzinom i. Allg. weniger als der Durchmesser von 3 kleinen Lymphozyten betragen [24, 52, 55].

Die Diagnose eines kombinierten kleinzelligen Lungenkarzinoms setzt den zusätzlichen Nachweis einer nichtkleinzelligen Tumorkomponente (Adenokarzinom, Plattenepithelkarzinom, großzelliges Karzinom) voraus. Da einzelne größere Tumorzellen auch in einem (reinen) kleinzelligen Karzinom möglich sind, sollte eine Kombination mit einem großzelligen Karzinom erst ab einem Anteil von mindestens 10% angegeben werden. Aufgrund des die Prognose bestimmenden kleinzelligen Anteils werden diese Tumoren unabhängig von ihrer quantitativen Zusammensetzung bei den kleinzelligen Karzinomen geführt [8, 9, 20, 30].

Epidemiologie

Während der Anteil kleinzelliger Karzinome an den biopsierten Lungenkarzinomen in den 1980er Jahren noch ca. 30% betrug [33], wird die relative Häufigkeit kleinzelliger Lungenkarzinome aktuell mit 15–25% angegeben. Dies geht mit einer in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnenden Zunahme pulmonaler Adenokarzinome einher, was in erster Linie auf veränderte Rauchgewohnheiten mit gesteigertem Konsum sog. „Light-Zigaretten“ zurückgeführt wird [17, 20, 56].

Die Fünfjahresüberlebensrate kleinzelliger Lungenkarzinome liegt auch bei Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Therapieoptionen weiterhin bei deutlich unter 5%. Für das Jahr 2000 wurden die auf Lungenkarzinome zurückzuführenden Todesfälle weltweit auf ca. 1 Mio geschätzt, von denen ca. 200.000 auf kleinzellige Karzinome entfielen [10], deutlich über 90% davon durch das Rauchen bedingt.

Makroskopie

Kleinzellige Lungenkarzinome sind zum Diagnosezeitpunkt auch heute noch in der Regel weit fortgeschritten. Sie manifestieren sich bevorzugt im Bereich zentraler und intermediärer Bronchusäste, seltener in Form peripherer pulmonaler Rundherde. Zentral oder intermediär lokalisierte Tumoren sind initial häufig durch ein manschettenförmiges intramural-bronchiales oder peribronchiales Wachstum charakterisiert. Im weiteren Verlauf kann eine Ulzeration und Destruktion der Bronchialwand oder eine Verlegung des Bronchuslumens durch einen endobronchial wachsenden Tumor resultieren.

Bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung kleinzelliger Lungentumoren werden gehäuft ausgedehnte mediastinale Lymphome oder Fernmetastasen nachgewiesen.

Mikroskopie

Das mikroskopische Bild kleinzelliger Lungenkarzinome wird von kleinen, nacktkernig erscheinenden, zytoplasmaarmen Tumorzellen mit hyperchromatischen, runden bis spindelförmigen Zellkernen geprägt. Neben einem nestartigen, trabekulären, palisadenförmigen oder rosettenartigen Wachstum liegt häufig ein ungeordnetes Wachstumsmuster mit ausgedehnten Nekrosen vor (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Kleinzelliges Lungenkarzinom.a Histologischer Befund mit kleinen zytoplasmaarmen Tumorzellen (HE-Färbung). b Immunhistochemischer Nachweis einer neuroendokrinen Differenzierung des Tumorgewebes (CD 56, zytoplasmatische membranakzentuierte Markierung). c Immunhistochemischer Nachweis einer sehr hohen, im vorliegenden Beispiel nahezu 100%igen Proliferationsfraktion (Ki 67, nukleäre Markierung). d Großflächige spontane Tumornekrose mit perivaskulär saumartig vitalem Tumorgewebe (HE-Färbung)

Zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung gegenüber großzellig-neuroendokrinen Karzinomen gibt die WHO-Klassifkation eine maximale Größe kleinzelliger Tumorzellen von 3 kleinen ruhenden Lymphozyten an.

Gegenüber atypischen Karzinoiden ist die Mitosefrequenz von Bedeutung, die bei kleinzelligen Karzinomen über 10 Mitosen/10 HPF oder 2 mm2 liegt; durchschnittlich werden bei kleinzelligen Lungenkarzinomen aber 60 Mitosen/10 HPF oder 2 mm2 gezählt [52]. Die Identifizierung von Mitosen und ihre Quantifizierung kann jedoch in der histologischen Tumordiagnostik äußerst schwierig sein, da es aufgrund der Vulnerabilität der Tumorzellen häufig zu typischen Entnahmeartefakten mit entsprechenden negativen Folgen für die Beurteilung der zytologischen Charakteristika und die Einschätzung der mitotischen Aktivität kommt.

Definitionsgemäß handelt es sich bei kleinzelligen Karzinomen um hochmaligne Tumoren, sodass ein gesondertes Grading nicht angegeben wird.

Immunhistochemie

Immunhistochemische Untersuchungen, insbesondere mit neuroendokrinen Markern wie Chromogranin A, Synaptophysin und CD56 (NCAM, „neural cell adhesion molecule“), sind für die differenzialdiagnostische Abgrenzung kleinzelliger Lungenkarzinome gegenüber pulmonalen Lymphominfiltraten insbesondere an Biopsiepräparaten von Bedeutung. Dabei hat sich eine Kombination von CD56 (neuroendokrine Differenzierung), LCA („leucocyte common antigen“) und Ki 67 (Proliferationsaktivität) bewährt (Abb. 1; [27]). Allerdings ist der immunhistochemische Nachweis einer neuroendokrinen Differenzierung bei kleinzelligen Lungenkarzinomen im Gegensatz zum großzellig-neuroendokrinen Karzinom letztlich nicht obligat. Aufgrund der alternativen Therapiestrategien können ergänzende immunhistochemische Untersuchungen auch zur sicheren Abgrenzung gegenüber relativ kleinzelligen nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen (z. B. basalzellige Plattenepithelkarzinome) oder kleinzelligen Mesotheliomen indiziert sein.

Entsprechend der hohen Mitosefrequenz liegt die Proliferationsfraktion kleinzelliger Lungenkarzinom regelhaft über 60%, häufig zwischen 80 und 100%.

Zytologie

Zytologische Präparate kleinzelliger Lungenkarzinome zeigen kohäsive Zellaggregate oder einzelne, ggf. linear angeordnete Tumorzellen mit hoher Kern-Plasma-Relation und einem je nach Erthaltungszustand der Zellen feingranulären oder strukturlosen Chromatin sowie häufig ein ausgeprägtes Kernmolding.

Untersuchungen von Metzgeroth et al. [32] zufolge konnten in 70,5% der von ihnen analysierten kleinzelligen Lungenkarzinome zytologisch Tumorzellen nachgewiesen oder ein entsprechender Verdacht geäußert werden, während die Typisierung als kleinzelliges Karzinom nur in wenigen Fällen gelang. Durch ergänzende immunzytochemische Untersuchungen konnte die Sensitivität der zytologischen Diagnose eines kleinzelligen Karzinoms auf 98%, die Spezifität auf 97% gesteigert werden.

Metastasierung

Kleinzellige Lungenkarzinome sind durch häufig bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose nachweisbare hiläre oder mediastinale Lymphknotenmetastasen gekennzeichnet. Untersuchungen am Obduktionsgut haben in 96% der untersuchten kleinzelligen Karzinome eine lymphogene Metastasierung aufgezeigt; in 72% lag bereits ein Befall des kontralateralen Mediastinums vor [23].

Die nach den thorakalen Lymphknoten häufigste Metastasenlokalisation bei kleinzelligen Lungenkarzinomen stellt die Leber dar, gefolgt vom Skelettsystem, den Nebennieren, dem ZNS und den Nieren (Tab. 1; [21]).

Tab. 1 Relative Häufigkeit der Metastasierung beim kleinzelligen Lungenkarzinom in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Metastasenlokalisationen im Obduktionsgut. (Nach [21, 23])

Staging

In Analogie zu den nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen sollte auch das Staging der kleinzelligen Karzinome nach der TNM-Klassifikation der UICC erfolgen. Daneben werden aber weiterhin in gewissem Umfang Unterteilungen in „limited disease“ (Tumor auf einen Hemithorax begrenzt) und „extensive disease“ (jede über „limited disease“ hinausgehende Tumorausdehnung) vorgenommen, insbesondere nach den Stadieneinteilungen der IASLC [48] und der VALG [58].

Therapieinduzierte Tumorregression

Soweit bei mittels Chemotherapie behandelten kleinzelligen Lungenkarzinomen eine nachfolgende Resektion erfolgt, können am Tumorgewebe charakteristische Veränderungen im Sinne einer therapieinduzierten Tumorregression nachgewiesen werden. So liegen neben ggf. noch vitalem Tumorgewebe kokardenartige Herde mit zentraler Tumornekrose, umgebendem Saum aus schaumzellig umgewandelten Makrophagen und angrenzendem Granulations- und Narbengewebe vor.

In der Praxis hat sich das in Tab. 2 dargestellte Regressionsgrading bewährt. Für nichtkleinzellige Lungenkarzinome konnte eine prognostische Relevanz dieses Regressionsgradings nachgewiesen werden [25, 26, 51]. Für kleinzellige Karzinome liegen entsprechende Langzeitresultate bisher zwar noch nicht vor, im Rahmen eigener Untersuchungen konnte jedoch bei 6 von 14 kleinzelligen Lungenkarzinomen (43%) eine komplette therapieinduzierte Tumorregression im Sinne eines Regressionsgrads III nachgewiesen werden [22].

Tab. 2 „Bochumer Regressionsgrading“ neoadjuvant behandelter Lungenkarzinome [25, 51]

Unter der zytostatischen Therapie eines kombinierten kleinzelligen Karzinoms muss mit einer Selektion des evtl. weniger chemotherapiesensiblen nichtkleinzelligen Anteils gerechnet werden, mit der Folge, dass nach einer sich evtl. anschließenden Operation histologisch ggf. ausschließlich der nichtkleinzellige Tumoranteil nachzuweisen ist [28].

DNA-Zytometrie, Kernklassifikation des Lungenkrebses

Das kleinzellige Lungenkarzinom ist typischerweise auch kleinkernig. Das genetische Korrelat dieser Kleinkernigkeit ist ein reduzierter Chromosomensatz, was zytometrisch typischerweise in einer hypodiploiden, seltener auch einer peridiploiden DNA-Stammlinie der Tumorzellen zum Ausdruck kommt (Abb. 2, links). Demgegenüber sind nichtkleinzellige Karzinome in der Regel hyperdiploid und weisen häufig Chromosomenzahlen auf, die im triploiden Bereich liegen [38]. Problematisch für die Klassifikation der kleinzelligen Karzinome ist die Tatsache, dass es immer wieder Fälle gibt, die morphologisch alle Kriterien eines kleinzelligen Karzinoms aufweisen, streng genommen aber nicht kleinzellig sind. Solche atypischen kleinzelligen Karzinome weisen größere Kerne auf und haben entsprechend einen höheren DNA-Gehalt (Abb. 2, rechts).

Abb. 2
figure 2

Histologie und DNA-Zytometrie eines typischen hypodipoiden (links) und eines atypischen, hyperdiploiden kleinzelligen Karzinoms (rechts). Beide Tumoren zeigen zwar ähnliche morphologische Charakteristika in Form von zytoplasmaarmen Tumorzellen mit hyperchromatischen Kernen. Die Tumorzellkerne und Mitosen sind jedoch in dem rechts dargestellten Tumor deutlich größer als in dem linken (Vergrößerung jeweils 400:1). Dieser Größenunterschied spiegelt sich auf genetischer Ebene in einem höheren DNA-Gehalt, entsprechend größeren Indizes (DNA index peak und DNA modal value ~ DNA-Stammlinie, DNA index mean ~ mittlerer DNA-Gehalt der Tumorzellen, 2cDI: 2c deviation index, 5cER: 5c exceeding rate ~ Anzahl der Tumorzellen mit DNA-Gehalt >5c) und notwendigerweise in einer größeren Chromosomenzahl der einzelnen Tumorzellen wider. Die Kernklassifikation erfasst diese Größenunterschiede semiquantitativ und erlaubt einen Einblick in das Ploidieniveau der Tumoren

Um solche Tumoren zu erfassen und besser differenzieren zu können, haben wir kürzlich die Kernklassifikation des Lungenkarzinoms entwickelt (Tab. 3). Sie erlaubt eine semiquantitative Abschätzung der Größen der Tumorzellkerne und der Mitosen und dokumentiert den Nachweis tri- und tetrapolarer Mitosen. Dabei korrelieren die Kern- und Mitosengrößen hoch signifikant mit dem DNA-Gehalt des Tumors. Der Nachweis von tripolaren Mitosen ist mit einer triploiden DNA-Stammlinie assoziiert und das Vorhandensein tetrapolarer Mitosen mit einem deutlich erhöhten DNA-Gehalt des Tumors insgesamt. Die Kernklassifikation soll helfen, atypische kleinzellige Karzinome zu identifizieren, welche sich möglicherweise auch klinisch atypisch verhalten [38].

Tab. 3 Kernklassifikation der Lungenkarzinome

Chromosomale Veränderungen

Die Hypodiploidie ist durch vielfältige chromosomale Deletionen verursacht, die typischerweise die Chromosomen 3p, 4, 5q, 10q, 13q und 17p betreffen [35, 43]. Dabei handelt es sich in der Regel um Verluste ganzer Chromosomen oder Chromosomenarme (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Histogramm der chromosomalen Imbalanzen kleinzelliger Lungenkarzinome. DNA-Verluste sind links des Chromosomenideogramms dargestellt, DNA-Gewinne rechts. Das kleinzellige Karzinom ist insbesondere durch Deletionen auf Chromosom 3p gekennzeichnet (>90%), gefolgt von Deletionen auf 4q, 5q, 10q, 13q und 17p

Es werden zwar auch chromosomale Gewinne und Amplifikationen beobachtet, insbesondere auf Chromosom 3q, 5p, 8q und 17q. Sie sind jedoch insgesamt in der Minderheit und, was die Ausbildung kleinstreckiger Amplifikationen betrifft wie beispielsweise die der MYC-Onkogene, eher mit der Tumorprogression assoziiert (Abb. 4 a, b). Die chromosomalen Deletionen auf Chromosom 3p sind in quasi allen kleinzelligen Karzinomen nachweisbar und wurden zytogenetisch bereits vor über 25 Jahren identifiziert [54]. Demgegenüber ist der Nachweis genetischer und insbesondere chromosomaler Veränderungen bei nichtkleinzelligen Karzinomen aufgrund der höheren Chromosomen- und Genkopiezahlen sehr viel schwieriger und wurde erst nach Einführung der komparativen genomischen Hybridisierung (CGH-Analyse), die die Komplexität der chromosomalen Veränderungen auf den Nachweis von DNA-Gewinnen und -Verlusten reduziert, stark erleichtert (Abb. 3). Es zeigte sich, dass nichtkleinzellige Karzinome vermehrt interstitielle Deletionen und komplexe strukturelle chromosomale Aberrationen aufweisen, die in Einzelfällen den Veränderungen der kleinzelligen Karzinome stark ähnelten [15, 36, 42, 47]. Insbesondere konnte nachgewiesen werden, dass sich die kleineren interstitiellen Deletionen im Rahmen der Tumorprogression und Metastasierung zu dem Verlust ganzer Chromosomenarme ausdehnen können und sich die nichtkleinzelligen Karzinome so genau diejenigen Veränderungen aneignen können, die das kleinzellige Karzinome bereits a priori besitzt [39, 40].

Abb. 4
figure 4

CGH-Analyse eines primären kleinzelligen Lungenkarzinoms (a) und seiner Lebermetastase (b). Chromosomale Verluste/Deletionen sind rot, Gewinne/Amplifikationen grün dargestellt. Beide Tumoren weisen insgesamt ähnliche Veränderungen auf, was auf den klonalen Zusammenhang hinweist. In der Metastase finden sich jedoch kleine Abweichungen, insbesondere ein DNA-Gewinn bei 1p34.2 als Korrelat einer MYCL-Amplifikation. Der Locus des MYCN-Gens (2p24.1) ist in beiden Tumoren amplifiziert, während c-MYC (8q24) nicht betroffen ist

Primäres und sekundäres kleinzelliges Lungenkarzinom

Auf Basis der chromosomalen Veränderungen im Rahmen der Tumorprogression wurde das Konzept des primären und sekundären kleinzelligen Karzinoms entwickelt [37]. Es entspricht einem Progressionsmodell, in dem sich das kleinzellige und nichtkleinzellige Karzinom aus einer ähnlichen Vorläuferzelle entwickeln. Das primäre kleinzellige Karzinom entsteht dabei ohne eine morphologisch fassbare Zwischenstufe direkt aus dieser Vorläuferzelle, während dies beim sekundären Karzinom über die Zwischenstufe eines nichtkleinzelligen Karzinoms geschieht. Letzteres korreliert daher mit dem kombinierten Subtyp des kleinzelligen Karzinoms, während das primäre kleinzellige Karzinom der typischen, klassischen Variante entspricht. Die neuroendokrine Differenzierung wird dabei nicht mehr als Hinweis auf die Vorläuferzelle angesehen, sondern vorrangig als Merkmal der Tumorprogression aufgefasst.

Tumorassoziierte Gene

In Tab. 4 sind Veränderungen einzelner tumorassoziierter Gene beim kleinzelligen Lungenkarzinom aufgeführt. Neben klassischen Typ-1-Tumorsuppressorgenen wie p53 und RB1, die über Genmutationen oder homozygote Deletionen inaktiviert werden, wurden in den letzten Jahren vermehrt sog. Typ-2-Tumorsuppressoren identifiziert. Bei letzteren erfolgt der Funktionsverlust durch eine vollständig oder partiell verminderte Expression des Gens, was beispielsweise durch epigenetische Mechanismen wie Promotermethylierung [13] oder die verringerte Gendosis durch Deletionen eines Allels (Haploinsuffizienz) vermittelt werden kann. Auf Chromosom 3 ließen sich mehrere Regionen mit homozygoten Deletionen identifizieren (3p12, 3p14.2, 3p21.3), von denen allein in der Region 3p21.3 gleich mehrere Gene mit Tumorsuppressoraktivität lokalisiert sind [12, 29, 57].

Tab. 4 Veränderungen von tumorassoziierten Genen in kleinzelligen Lungenkarzinomen

Obgleich Deletionen auf Chromosom 3p generell als ein frühes Ereignis in der Lungenkarzinogenese angesehen werden, gibt es auch Veränderungen, die mit der Tumorprogression assoziiert sind [41, 42]. So ist beispielsweise der Expressionsverlust des FHIT-Proteins („fragile histidine triad“), welches vermutlich in der Regulation eines p53-unabhängigen Apoptosewegs und der Zellzykluskontrolle eine Rolle spielt, mit einer schlechteren Prognose assoziiert [44].

Der Zellzyklus und die G1/S-Transition wird insbesondere über den p16-Cyclin-D1-CDK4-RB-Signalweg reguliert. Dieser ist beim kleinzelligen Karzinom über die häufige Deletion und Mutationen des Retinoblastomgens inaktiviert; dagegen ist das p16-Tumorsuppressorgen nur selten betroffen. Ein weiteres Kandidatengen für Klasse-II-Tumorsuppressoren auf Chromosom 13q ist Connexin 26 [5].

PTEN spielt eine Rolle im PI3K/AKT-Signalweg, der über Rapamycin und assoziierte mTOR- („mammalian targets of rapamycin“) Inhibitoren attackiert werden kann [16, 45]. PDCD4 ist ein Gen, das in der Apoptose von Bedeutung ist und ebenfalls bei Lungenkarzinomen vermindert exprimiert wird [3]. Darüber hinaus konnten die minimalen Deletionsregionen und weitere Kandidatengene auf Chromosom 10q identifiziert bzw. ausgeschlossen werden [39, 40, 41].

Als Tumorsuppressorgene auf Chromosom 4 kommen unter anderem HOPX, ein kleines Homeobox-Gen, welches eine essenzielle Rolle in der Herz- und Lungenentwicklung einnimmt und IGFBP-7 in Betracht [3, 4, 6, 7].

Die Aktivierung von Protoonkogenen wird bei kleinzelligen Lungenkarzinomen insgesamt weniger häufig beobachtet als die Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen. Sie sind jedoch gleichwohl wichtig, da es gerade für diese Gene mittlerweile neue, zielgerichtete Therapeutika gibt. EGFR-, HER2- und RAS-Mutationen kommen beim kleinzelligen Karzinom nur selten vor. Hingegen finden sich Alterationen der MYC-Gene in bis zu 31% der Fälle. Dabei sind MYCN- und MYCL-Amplifikationen charakteristisch für das kleinzellige Karzinom (Abb. 4 b), sie werden bei nichtkleinzelligen Karzinomen im Gegensatz zu c-MYC-Veränderungen nicht beobachtet [46].

c-KIT wird zwar häufig überexprimiert, ist jedoch nur selten mutiert. Der diesbezügliche Inhibitor Imatinib (Gleevec®) zeigte zwar in einzelnen c-KIT-positiven Zelllinien eine Wachstumsinhibition, klinische Studien als Monotherapie waren jedoch bisher erfolglos [46]. Der Verlust der c-KIT-Proteinexpression wurde mit einem schlechteren Überleben assoziiert [44].

Die Expression des Gastrin-releasing-Peptids (GrP/BN) und seiner Rezeptoren ist das klassische Beispiel einer autokrinen Wachstumsstimulation beim Lungenkarzinom [12]. Dieser Umstand ist zwar schon seit über 20 Jahren bekannt [11], hat als therapeutischer Ansatz aber bisher nur in Tiermodellen Einzug gehalten [18]. Ebenso ist bekannt, dass das kleinzellige Karzinom den Somatostatinrezeptor exprimieren kann [45], woraus sich eine potenzielle Therapieoption mittels des Einsatzes von radioaktiv-markierten Liganden ableiten lässt.

Expressionprofile

In globalen Expressionsstudien mit nachfolgender Clusteranalyse bestätigte sich, dass es sich beim kleinzelligen Karzinom um einen eigenständigen Subtyp des Lungenkarzinoms handelt (Abb. 5). Neben typischen neuroendokrinen Markern wie Chromogranin und NCAM/CD56 fand sich eine Überexpression des humanen Achaete-scute-Homolog-1- (hASH1-)Gens [2, 14, 49, 50]. ASH1 kodiert für einen Transkriptionsfaktor, der in normalen fetalen neuroendokrinen Zellen der Lunge exprimiert wird und in der Maus eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Gehirns und des diffusen neuroendokrinen Systems spielt [1]. Es konnte mittlerweile gezeigt werden, dass die konstitutionelle Expression des Gens in der Mäuselunge eine Hyperplasie und Bronchiolisation der Alveolen im Sinne einer Präneoplasie verursacht [53]. Darüber hinaus führte die Inhibition der ASH1-Expression in Tumorzelllinien mittels RNA-Interferenz (RNAi) zu einer Wachstumssuppression über einen G2-M-Zellzyklusarrest, sodass das Gen ein möglicherweise spezifisches therapeutisches Ziel in der Behandlung neuroendokriner Lungenkarzinome darstellt [34].

Abb. 5
figure 5

Clusteranalyse von Lungenkarzinomen (oben) auf der Basis einer globalen Expressionsanalyse identifiziert die einzelnen Tumorentitäten [14]. Unten sind die in den kleinzelligen Karzinomen überexprimierten Gene (rot) dargestellt, die für diese Eingruppierung wesentlich sind

Korrelationen zwischen Molekularpathologie und Klinik

Die Tatsache, dass kleinzellige Karzinome typischerweise hypodiploid sind und ausgedehnte chromosomale Deletionen aufweisen, impliziert, dass sie für eine Vielzahl von Genen einschließlich solcher, die für die Detoxifikation von Chemotherapeutika und die Reparatur therapieinduzierter, potenziell letaler Zellschäden verantwortlich sind, lediglich eine Kopie aufweisen. Insgesamt ergibt sich aus dieser genetischen Komposition eine stark reduzierte Reaktionsfähigkeit der Tumorzellen auf Noxen, was einerseits zu der hohen Sensibilität des Tumors gegenüber Chemotherapie und Bestrahlung beitragen sollte. Die große chromosomale Instabilität und Variabilität des kleinzelligen Karzinoms (Abb. 4) bedingt andererseits die Plastizität, mit der sich der Tumor solcher Attacken erwehren und schließlich über die Entwicklung einer Chemoresistenz daran anpassen kann.

Spezifische chromosomale Veränderungen wie beispielsweise zentromernahe Gewinne auf Chromosom 1q und Deletionen auf Chromosom 10q sind mit der Metastasierung insgesamt assoziiert, der Gewinn bei 17q25 mit der hämatogenen Aussaat in das Gehirn [15, 36, 47].

Das kleinzellige Karzinom verursacht überproportional häufig paraneoplastische Syndrome [31]. Deren molekularen Ursachen wie beispielsweise die Bildung von Autoantikörpern bei der paraneoplastischen Enzephalomyelitis oder dem Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom sind bisher nur partiell bekannt [19].

Insgesamt verlangt die Erforschung des kleinzelligen Lungenkarzinoms noch weitere, intensive Anstrengungen, um zu einem besseren Verständnis der molekularpathologischen Grundlagen und einer Optimierung des therapeutischen Erfolgs zu gelangen.

Fazit für die Praxis

Die Diagnose kleinzelliger Lungenkarzinome erfolgt häufig erst in lokal weit fortgeschrittenen oder metastasierten Stadien. Kleinzellige Karzinome markieren neben den großzelligen neuroendokrinen Karzinomen das hochmaligne Ende im Spektrum neuroendokriner Lungentumoren. Nach den Kriterien der WHO-Klassifikation sind sie gegenüber anderen „kleinzelligen“ Tumoren, insbesondere gegenüber pulmonalen Lymphominfiltraten und relativ kleinzelligen nichtkleinzelligen Karzinomen, morphologisch abzugrenzen. Die DNA-zytometrisch fassbare Hypodiploidie beruht auf vielfältigen chromosomalen Deletionen, die ganze Chromosomen oder Chromosomenarme umfassen können. Dies erklärt einerseits die stark reduzierte Reaktionsfähigkeit der Tumorzellen auf Noxen (z. B. Chemotherapie), die hohe chromosomale Instabilität andererseits die große Anpassungsfähigkeit kleinzelliger Karzinome mit Entwicklung einer klinisch zu beobachteten Therapieresistenz.